Aus ihrem umfangreichen Wissen heraus entwickelte Inge Scholz-Stephan schon bald einen ihr eigenen Stil als Grafikerin. Gegenüber der europäischen, oft harten, eindeutig schwarz/weißen Darstellungsweise des Holzschnitts strebte sie nach asiatischem Vorbild Transparenz und Luftigkeit an. Dies erreicht sie durch das Zusammenspiel verschiedener Komponenten: statt Farbflächen linear zu begrenzen, lässt sie diese im Bild überspielen. Das im Handdruck verwendete, dünne Japanpapier mit eingedruckten Pflanzenfaserstrukturen macht ganz gewollt z.T. die Holzmaserung sichtbar. Und nicht zuletzt sind es die ebenfalls an den asiatischen Stil angelehnten sehr nass aufgetragenen Wasserfarben, die durch beabsichtigte Überschneidungen zusätzliche Farbklänge bewirken. Das Schneiden der Holzplatte ist traditionelles Handwerk und nicht ganz mühelos, da jede Farbe eine eigene Druckplatte benötigt, bevor sie durch paßgenauen Übereinanderdruck eine Bildgesamtheit ergeben. Überraschungseffekte sind dabei nicht ausgeschlossen, aber auch gerade das macht den Reiz dieser Arbeitstechnik aus.
"Zeichnen ist ERLEBEN!" sagt Inge Scholz-Stephan. Kohle und Kreide als Zeichenmaterial sind brüchig und launisch. Sie hinterlasssen kompakte, akzentuierte und ebenso flüchtige Spuren, die kaum korrigierbar sind und fordern von daher ein hohes Maß an Konzentration und Selbstdisziplin. Die Künstlerin beherrscht ihr Fach, wie man besonders an dem Zyklus "Ohne mich" sehen kann. Diese Serie mit ihrer wunderbar ironisch-humoristischen Aussage entstand aus dem Gedankengang, stofflicher Vergänglichkeit – entgegen der Realität – Leben zu verleihen. Da steht denn schon mal eine Hose, eine Brille, ein BH vom Menschen befreit in einer eigenen Geschichte.
Inge Scholz-Stephan schafft nicht nur handwerklich ein hohes Niveau, die Ergebnisse ihrer Arbeit regen die Fantasie mit einer Leichtigkeit an, die Gedankenflüge in ihre Bilderwelten geradezu heraus fordern. Wer sich davon überzeugen will und gern mit der Fantasie spielt, sollte diese Ausstellung unbedingt besuchen.
copyright: 1997-2002 B.J. Antony
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